Ein Bild ist immer suspekt
Seit der Aufklärung stand Text für Vernunft und Bild für Gefühl. Text, das war Fortschritt, Bilder aber tauchten das Volk ins Zwielicht von Willkür und Aberglaube. Dass der Text heute im Rückzug ist, die Bilderflut aber steigt, hat wohl auch mit dem Internet zu tun. Wie kein anderes Medium vor ihm bietet das Internet die Chance, Kino, also Bild, Ton und Musik, mit Text interaktiv zu verbinden. Der Bildermacht sind kaum noch Grenzen gesetzt.
Bilder sind schön, unterhaltsam und scheinen jedermann verständlich. Werbung und Kommerz rauschen auf Bildern daher wie Kanus auf dem Bach. Bildkommunikation und Bildmanipulation (erst des Bilds und dann des Publikums) gleichen sich an. Die neue Bilderwelt verdient daher in mehrfacher Hinsicht Beachtung, wenn nicht sogar Kritik.
- Bildpropaganda bezweckt Konformismus, der sich nicht tarnt, sondern durch Mode und Moden uniform inszeniert. Dieser Konformismus funktioniert immer auch abgrenzend nach dem Schema „Die dort und Wir hier“.
- Massenmedien setzen eingefahrene Gleise fort. Bilder erreichen die Seele, Text aber ermüdet, prallt ab. Insbesondere in der Darstellung des Auslands ist eine Kritik der Bilder dann überfällig, wenn sie alte Vorurteile neu illustrieren.
- „Picture“ als äußere Wahrnehmung geht vermutlich einher mit einer Krise von „image“ als innerer Vorstellung. Anders ausgedrückt: Je mehr Folie und Hochglanz, desto weniger Substanz. Strom an, Phantasie aus?
- Allerdings kann man Ströme in zweierlei Richtung befahren: Bergauf und bergab. Es bleibt daher jedermann selbst überlassen, ob er ein interaktives Medium zur Verdummung nutzt – oder zur Verfremdung.