Konzept

Die Geschichte Europas war die Geschichte von Hell und Dunkel: Der Westen hell, der Osten dunkel. Mit dem Westen verglichen sich die Deutschen, um sich anzunähern, und mit dem Osten – wenn überhaupt –, um sich abzugrenzen. Dieses Schema mühsamer Selbstaufwertung erlitt 2004 einen Schlag: Polen gehört zur EU! Und noch schlimmer, sogar vom Iwan geht Bedrohung offenbar kaum noch aus, denn er ist zurückgefallen auf Grenzen der Zeit vor Peter dem Großen.

Die Situation ist damit ganz neu. Welche Tendenz setzt sich durch? Diejenige, die Osteuropa entlang alter Bahnen beschreibt, ausgeleiert, aber alltagstauglich, oder die Suche nach dem, wofür Slavophilie heute so steht? Da jede Sichtweise den Betrachter nicht nur charakterisiert, sondern auch verwandelt, fragt „Neues Osteuropa“ auch und gerade nach der Interaktion zwischen Objekt und Subjekt. Hier wartet so manches Paradoxon: Obwohl die neue Situation jenseits alter Konflikte eigentlich doch dazu einlädt, auch einen neuen, abgeklärteren Blick auf das Fremde zu werfen, scheint es nicht selten eher so zu sein, dass mit der Angst auch das Interesse verfliegt.

Hier kommt das Internet ins Spiel: Wird es kulturelle Öffnung begünstigen oder behindern? Sobald kommerzielles Interesse dahinter steht, wäre wohl größere Durchlässigkeit zu vermuten. Kulturelles Verständnis aber beginnt erst dort, wo jeder Zweck endet. Schnelligkeit und Suchbarkeit allein führen daher in die Irre. Sie liefern Antwort im Sekundentakt, aber keine Reflexion.

Die Katastrophe besteht nun darin, dass der Bologna-Prozess prozyklisch wirkt und Regeln der computergesteuerten Wachstumsgesellschaft auf das Bildungswesen überträgt. Studium ist kein Windkanal. Vielmehr sollte es dazu führen, Bestehendes in Frage stellen – oder es wird um den Inhalt gebracht. Bildung jenseits aller Zwecke, so die deutsche Illusion, sollte lieber antizyklisch sein.

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